Kamingespräch mit Greifenklaue

Greifenklaue hatte zum Interview bezüglich DARC geladen und natürlich auch prompt Antworten erhalten – viel Spaß damit!

GK: Hallo Christian! Du hast vor kurzem bekanntgegeben, seit rund zwei Jahren an DARC zu arbeiten, oder genauer: wieder an DARC zu arbeiten. Wann entstand die erste Version und wieso wurde sie damals nicht weiterverfolgt?

CK: Das ursprüngliche DARC entstand bereits 1998 und war eine düster-makabre, augenzwinkernde Persiflage auf die damalige NDE-Welle (Neue-Deutsche-Endzeit). Die mittelalterliche Welt war tatsächlich eine Scheibe, ihr Rand stand in Flammen und in den halb unter Asche begrabenen Städten kämpften die sogenannten Siffer ums tägliche Überleben. Es war ein recht komplexes System voll makabrem Humor und viel Gelache am Spieltisch, kein Emo-Mimimi-Spiel. Leider hab ich das damals nicht ideal transportiert und die Netzresonanz war dementsprechend aburteilend und verständnislos a la „Noch so ein Emodeprischeiß, die peilen ja gar nichts“. Zwar gab es auch andere Stimmen, wie beispielsweise den späteren DS-Redakteur Andreas Melhorn, den ich dadurch erstmals kennenlernte, doch ein Großteil der Leute warf DARC in die völlig falsche Schublade.
Ungefähr zeitgleich mit der schlechten „Presse“ ergab es sich, dass ein kleines Nebenprojekt von mir namens Dungeonslayers einen unerwarteten Hype auslöste und ich beschloss, mich erstmal auf dieses „altmodische Rollenspiel“ zu konzentrieren und das missverstandene DARC ad acta zu legen. Der Rest ist Geschichte.

GK: Die Regeln dürften zum Großteil ja schon stehen – auch wenn es noch einen Betatest gibt – vielleicht magst Du uns erläutern, wie aktuell eine Probe funktioniert, sagen wir auf Klettern?

CK: Die Regeln stehen komplett, aber erst das ausgiebige Feedback der verschiedensten Spielgruppen wird Fragen klären, die unsere eigene Betriebsblindheit nicht sieht, und den Regeln das Feinschliffniveau verpassen, das uns selbst zufrieden stellen wird. In der Tat betrachte ich die Beta als die wichtigste Phase beim Regeldesign und als mein Dogma, das schon die Regel-Engine von Dungeonslayers zu einem über 10-jährigen Fels in der Brandung gemacht hat. Bei DARC soll das nicht anders laufen.
Zurück zu Deiner Frage mit der Klettern-Probe:
Der Charakter hat einen Probenwert – basierend auf seiner Eigenschaft Bewegung und der investierten Erfahrung in die Fertigkeit Klettern – den er mit einem W20 gleich oder niedriger würfeln muss, um die Probe zu schaffen. Typische Modifikationen für die Verwendung eines Seils oder die Griffigkeit der Oberfläche beeinflussen den Probenwert. DS-Veteranen sollte das bekannt vorkommen.

GK: Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede haben die aktuelle DARC-Version und Dungeonslayers?

CK: Vieles und wenig – die Kampfwerte bei DARC ähneln sehr stark denen von Dungeonslayers, auch wenn ihre Werte ganz anders zustande kommen. Und wo DS den W20 benutzt, kommen bei DARC alle gängigen Rollenspielwürfel zum Einsatz.
DARC bringt feste Fertigkeiten mit ins Spiel und verzichtet auf die drei groben Grundklassen von DS (Krieger, Späher, Zauberwirker) – bei DARC ist jede Klasse von Beginn an einzigartig, quasi eine individuelle Spezialisierung mit eigenem Talentbaum und dazugehörigen Fluff. Anders als bei den DS-Heldenklassen, die man dort erst spät oder nie erreicht, kann man bei DARC gleich von Anfang an eine spezifische Rolle erfüllen.
Hinzu kommt ein tödlicherer Kampf ohne ewiges Runtergekloppe, welcher Charaktere auch mal die ein oder andere Gliedmaße kosten kann. Und dann ist da natürlich auch noch das Stress-System zu nennen, welches Charaktere im laufenden Spiel bei zunehmenden Gefahren immer mehr unter Druck setzt, ihr Verhalten beeinflusst und auch zu dauerhaften psychischen Macken führen kann.

DS-Veteranen werden also einige altbewährte Mechaniken wiederfinden, aber auch viel Neues entdecken, was es so in DS nie gab.

GK: In welchem Setting wird DARC spielen?

CK: Die Welt von DARC heißt immer noch – ­wie schon 1998­ – Aerde, da hören die Gemeinsamkeiten zu damals aber auch schon auf: Keine Scheibe, kein brennender Weltenrand, kein permanenter Ascheregen.
Gespielt wird primär in den Kreuzlanden, welche europäische Nationen des Spätmittelalters bzw. der Renaissance mit Fantasy und gotischen Elementen vermischen. So gibt es die Valoni, die mit ihren Conquestadores an Spanier erinnern, die französisch inspirierten Beau-Chellier oder die deutschen Tannberger. Ich war schon immer ein Fan der alten OldWorld (also die der mittleren 80er), und das spielt dort definitiv mit rein.

GK: Bei Tannberg macht es ja auch dem Dungeonslayersfan klick – um 2010 hast Du da eine Kampagne gespielt und berichtet – inwieweit hängt das mit dem Tannberg von DARC zusammen?

CK: Das Tannberg von damals ist dasselbe Tannberg, das man nun auf Aerde bereisen kann. Die Karte wurde etwas umgestaltet, aber ansonsten ist es immer noch das alte Tannberg aus dem Spielbericht von 2010:
Ein dichtbewaldetes Bergland mit schattigen Tälern und tiefen Schluchten, wo man sich nachts besser nicht in die Wildnis wagen sollte. Dazu ein kräftiger Schuss Inquisition und paranoide Obrigkeit – Zauberer sollten hier nie ohne ihre Zunftplakette unterwegs sein, wollen sie nicht als Ketzer auf dem Scheiterhaufen enden.
Tannberger haben deutsche Namen wie Bernhardt oder Heinrich, in ihrer Kulturausrüstung finden sich auch Dinge wie Hartwurst oder ein Trinkkrug mit Klappdeckel.

GK: Warum der Name DARC? Ist das ein Akronym?

CK: Nein, ist es nicht, aber es ist Dark-Fantasy und das Böse wird auf Aerde primär durch den Teufel Darcan verkörpert, welchem Solcan, der Herr des Lichts gegenübersteht. Also quasi ein Mix aus Dark und Darcan. Zudem habe ich seit rund 15 Jahren die dazugehörige Domain gebunkert. 😉

GK: Gibt es bei DARC nur Menschen – oder auch Zwerge oder Halblinge zu spielen – oder ganz andere Völker?

CK: Menschen sind das typische Spielervolk bei DARC. Dennoch gibt es auch Zwerge, allerdings sind sie eine Seltenheit, als Diebe und Halunken verschrien und werden höchstens wegen ihres handwerklichen Geschicks geduldet. Von den geächteten Elfen will ich gar nicht erst anfangen – Rassismus steht auf Aerde hoch im Kurs.
Aus diesem Grund werden zu Beginn nur Menschen zur Auswahl stehen, was auch den Low-Fantasy-Aspekt von DARC unterstreichen soll. Dennoch kann ich verraten, dass wir schon vor über einem Jahr mit zwergischen und elfischen Charakterklassen experimentiert haben. Aber erstmal sollen die Leute auf Aerde ankommen.

GK: Es gab ja schon zwei Klassenpreviews von acht – wie sieht die typische DARC-Heldengruppe aus, womit kann man sie vergleichen?

CK: Jede Klasse bei DARC hat ein individuelles Konzept und steht für eine bestimmte Rolle. Auf der Website haben wir schon die Freiritter und Rabenmönche vorgestellt, die anderen werden nach und nach folgen, ich kann aber versichern, da ist für jeden etwas dabei – von eher defensiven, wandernden Predigern über hexenjagende Individuen bis hin zu bußfertigen Irren. Alle anfänglichen Klassen von DARC haben jedoch gemein, dass sie Underdogs sind – sie stehen am Rande der Gesellschaft und werden von ihren Mitmenschen, für die sie Kopf und Kragen riskieren, eher misstrauisch beäugt, denn mit offenen Armen empfangen.
Hinzukommt, dass die Charaktere deutlich von ihren Erlebnissen gezeichnet werden – sowohl körperlich als auch psychisch – und ihre Seele im wahrsten Sinne des Wortes an den Teufel verlieren können. Am Spieltisch ergibt das einen Mix aus verschiedenen Spezialisten, welche die Welt bereisen, um mit ihren individuellen Fähigkeiten den Dienern Darcans den Garaus zu machen. Zudem erlaubt das modulare Steckbrief-System, dass weitere Klassen leicht nachgereicht bzw. selbst erstellt werden können.

GK: Welche anderen Medien kannst Du empfehlen, um in die Stimmung von DARC zu kommen?

CK: Literarisch fallen mir da als Erstes die Geschichten über Solomon Kane aus der Feder von Robert E. Howard ein, aber auch die Gotrek und Felix Romane aus der ehemaligen Warhammerwelt sind nicht verkehrt. Zudem ist vermutlich alles hilfreich, was im Dreißigjährigen Krieg spielt. Wer es dagegen digitaler mag, sollte sich unbedingt einmal Darkest Dungeon von Red Hook Studios anschauen – da dürfte man mehr als eine Parallele entdecken, nicht nur von der Atmosphäre her: Das fängt bei den Klassen an und hört bei der Stressmechanik noch lange nicht auf.

GK: Glaubst Du, dass dir der enorme Erfolg von Dungeonslayers und die Verbindung deines Names mit diesem Rollenspiel (verknüpft mit gewissen Erwartungen) nun bei DARC eher nützen oder vielleicht doch hinderlich wird?

CK: Es gibt ja leider immer noch Leute, die glauben, Dungeonslayers sei ein allzu „simples“ System mit dem nur pures Dungeongekloppe gespielt werden kann, weil sie nicht mehr als den Titel kennen – die werden aber mit meinem Namen sowieso nichts anfangen können.
Ich denke, jeder, der mich als Rollenspielentwickler kennt, weiß, dass ich funktionierende Qualität abliefere, und auch bei DARC will ich da niemanden enttäuschen.
Ich setze auf ausgiebige, monatelange Betatests – nur so kann man all die Fragen und Eventualitäten klären, die sich am Spieltisch irgendwann ergeben können. Daher denke ich, dass diejenigen, die mit meinem Namen tatsächlich etwas anfangen können, wissen, dass sie Qualität erwarten können.

GK: Gibt es schon einen Verlag – oder ein anderes Veröffentlichungsmodell? Wird DARC unter einer ähnlichen Lizenz stehen wie DS?

CK: Ich habe noch mit niemandem eine Vereinbarung getroffen, zumal ich eh noch unschlüssig bin, inwieweit ich externe Hilfe überhaupt benötigen werde. Noch ist aber nichts entschieden, mal sehen, was sich am Ende ergibt – etwas Zeit ist ja noch.
Eine genaue Lizenz kann ich noch nicht benennen, aber wer mich und die großartige DS-Community kennt, kann sich denken, dass ich den Leuten nicht ihr Mitgestaltungsrecht streitig machen werde und es sicherlich Klassen-Fanmods u.ä. für DARC geben wird.

GK: Dungeonslayers entstand ja doch im Schwung der Blütezeit der OSR-Bewegung und traf hier den Nerv. Hältst du den Veröffentlichungszeitpunkt von DARC jetzt für passend bzw. hast Du dir dazu Gedanken gemacht?

CK: Nein, dazu habe ich mir keine Gedanken gemacht, der Zeitpunkt der Veröffentlichung spielt für mich überhaupt keine Rolle. Bei DS übrigens auch nicht, das war eher Zufall, nach dem Motto „zur rechten Zeit am rechten Ort“ – mal ganz davon abgesehen, dass Dungeonslayers ja nicht mal ein OSR-Klon ist. Ginge es nach dem Mainstream, sollte ich vielleicht eher am Greta–RPG oder der League of Social Justice Warriors arbeiten, nicht an oldschooliger Dark-Fantasy.
Für mich ist vor allem wichtig, dass ich selber Lust habe, so ein Projekt von vorne bis hinten durchzuziehen – mit allen Konsequenzen hinsichtlich anstehendem Arbeitsaufwand und was da noch alles mit reinfällt. Und diese Lust habe ich bei DARC, daher ist es für mich der richtige Zeitpunkt.
Ob der Markt das gerade braucht oder es sowas nicht schon längst gibt, ist für mich da weniger von Belang. Ich will halt einfach Spaß haben und ihn mit anderen teilen.

GK: Über welches besondere „Feature“ möchtest Du DARC verkaufen, was ist für dich eine Art „Alleinstellungsmerkmal“, dass man so noch nicht (oder schlechter) in anderen Settings/Systemen findet?

CK: Das Rad neu erfunden habe ich mit DARC sicherlich nicht. Das war aber auch nie die Absicht – mein Motto ist ja eher „Innovation wird überbewertet“, siehe Dungeonslayers.
Daher will ich auch DARC gar nicht über ein einzelnes, gesondertes Feature anpreisen, letztendlich ist es ja doch am Ende immer das Gesamtpaket, das zählt.
Trotzdem gibt es beispielsweise mit dem Stress-System schon eine Neuerung, die mMn so bislang noch nicht in den Fokus gestellt wurde und die gerade für das Rollenspiel sehr förderlich ist:
Wer seit Stunden durch finstere Keller krabbelt, von uralten Schrecken erfährt oder aus mehreren Wunden blutet, entwickelt einfach ein paar Eigenheiten, die nicht mehr viel mit dem Machoheldengebahren gemeinsam haben – Charaktere werden paranoid oder von Selbstzweifeln geplagt, je mehr Stress sie erleiden. Das hat schon was am Spieltisch.
Das Setting selbst ist zwar auch nichts wirklich Neues, dennoch gibt es ein paar Besonderheiten, wie beispielsweise den Düstertreib – wer das Upside Down aus Stranger Things kennt, hat da vielleicht eine vage Vorstellung, was ihn erwartet.
Aber – wie gesagt – sollen das nicht die einzigen Aspekte sein, die DARC lohnenswert machen, sondern nur zwei von vielen.

Anmerkungen zum Interview: Das Interview wurde per eMail bzw. Foren-PN in zwei Schüben geführt von mir, für den zweiten Schub kamen Fragen von Würfelheld, Maniac und Argamae dazu, die ich so übernommen oder umformuliert habe. Das letzte Mal haben wir mit CK gesprochen im Jubiläums-GKpodcast #50. Unsere Fragen sind für ein übersichtlicheres Layout gefettet, nicht, weil wir sie für wichtiger halten als die Fragen.